Der Grand Basset Griffon Vendéen


toby

Ein Portrait

Für die meisten wird dieser nur selten zu sehende Hund mit dem kaum auszusprechenden langen Namen, der Grand Basset Griffon Vendéen, auf den ersten Blick gar nicht wie ein Vertreter einer anerkannten Rasse aussehen. Mit seiner zerzausten Optik und dem schelmischen Blick aus struppigem Gesicht erinnert er wohl eher an einen durchaus gelungenen Mischling. Seine Erscheinung hat etwas, das man vielleicht treffend als Mischung aus einer gehörigen Portion Landadel, einem bißchen Bohème und einer Prise Clochard bezeichnen könnte. Seine Extravaganz besteht in seiner lässigen Einfachheit, in der ungezwungenen Schlichtheit seiner Erscheinung und im (noch) Fehlen von modischen Torheiten bei der Zucht. Sein spontan einnehmender Charme wird noch unterstrichen durch die langen und tief angesetzten Ohren, die buschigen Augenbrauen und den stets zerzausten Bart. Fällt bereits die bloße Erscheinung eines Grand Basset Griffon Vendéen deutlich aus dem Rahmen des Gewohnten, so zeigt sich die Besonderheit und rustikale Eleganz dieser Hunde erst recht in der arbeitenden Bewegung auf der Jagd. Der Grand Basset Griffon Vendéen ist bis heute weitgehend Natur belassen und frei von jeder Künstlichkeit.

Seinen Namen, d.h. den wichtigsten Teil davon, hat der Grand Basset Griffon Vendéen von der Landschaft Vendée, einer Region im Westen Frankreichs, südlich der Loire-Mündung in den Atlantik. Hinter der von Dünen begleiteten Küste der Vendée liegen eingepolderte Marschen, und das Landesinnere wird beherrscht von der Bocage, der typisch französischen Hügel- und Heckenlandschaft. Zur traditionellen Jagd auf Kaninchen, Hasen, Rehe und Wildschweine verwendet man in dieser Landschaft seit jeher die Jagdhunde der Region, die Griffon Vendéens, oder kurz die Vendéens.

Mit dem Namen Griffon wollte man in der Vergangenheit vermutlich das finstere Aussehen mancher rauhhaariger Hunde zum Ausdruck bringen, denn das französische Griffon meint zunächst nur „Klaue“ – daher bezeichnet man einen schlechten Schreiber auch als einen Griffonier, als jemanden, der eine „Klaue“ hat. Darüber hinaus lässt sich Griffon auf das griechische „Gryps“ zurückführen, womit in der antiken Mythologie das fabelhafte, vierfüßige Raubtier mit Adlerflügeln, Löwentatzen und eben einem ziemlich furchterregenden Aussehen gemeint war. In einer etwas abgewandelten Version der Namensgeschichte vermutet man, dass der Name Griffon daher kommt, dass ein königlicher Schreiber im 15. Jahrhundert mehrere Hunde mit dem beschriebenen oder ähnlichen Aussehen gehalten haben soll. Heute bezeichnet man in Frankreich mit Griffon ganz allgemein einen rauhhaarigen Jagdhund, wobei man damit allerdings wesentliche Unterschiede in Größe, Charakter und Verwendung der Griffons untereinander vernachlässigt.

Der letzte Teil der offiziellen Rassebezeichnung gibt schließlich nach Herkunft und Aussehen noch die Größe der Hunde an. Das französisch auszusprechende Basset, gleichbedeutend mit dem englischen Basset (beim Basset Hound) geht zurück auf das lateinische „bassus“ und bedeutet niedrig, bzw. hier niederläufig, auf kurzen Läufen. Ungeklärt ist, ob diese Kurzbeinigkeit eher zufällig durch Mutationen aus größeren Hunden entstanden ist, oder ob man einen niederläufigen Hundetyp gezielt für den jeweiligen Gebrauchszweck, also etwa für die Jagd zu Fuß im dichten und dornigen, mannshohen Gestrüpp und Unterholz, gezüchtet hat. Die zweite Vermutung scheint plausibler zu sein, wenn man bedenkt, dass die Jagdhundemeuten von damals eine Größe von bis zu zweihundert Hunden hatten – heute sind es vielleicht kaum mehr zehn – und der Unterhalt kleiner Hunde wohl erheblich günstiger war als der ihrer größeren und damit auch hungrigeren Verwandten.

Die Größe der hier vorgestellten Hunde wird im Standard mit 40 bis 44 cm für Rüden und 39 bis 43 cm für Hündinnen angegeben, jeweils mit einer Toleranz von 1 cm für außergewöhnlich schöne Exemplare. Farblich findet man verschiedene Schattierungen von orange, grau, falb oder schwarz/lohfarben, meist als Flecken bzw. Platten auf weißem Untergrund. Das Fell der Hunde ist rauh, glatt und hart, nie jedoch seidig, wollig oder gelockt; es sollte eine Länge zwischen 3 und 6 cm haben und bedarf im Normalfall über gelegentliches Bürsten und Trimmen hinaus keiner aufwändigen Pflege. Der Grand Basset hat einen langgestreckten Kopf mit sehr langen, stark gedrehten und niedrig angesetzten Ohren. Der Körper ist, wie für Bassets typisch, recht lang im Verhältnis zu seiner geringen Höhe. Die Rute ist passend zum Körper ebenfalls lang und sollte stolz getragen werden.

So extravagant wie die Erscheinung des Grand Basset Griffon Vendéen sind auch einige seiner Wesenszüge. Manche Exemplare der Rasse sind leidenschaftliche Jäger, d.h. sehr selbständige Hunde, die nur darauf warten, ihrer Veranlagung nachzugehen. Diese gewisse Eigenwilligkeit wird ihnen oft aus Unkenntnis übelgenommen und als Ungehorsam, Dickköpfigkeit oder Sturheit missverstanden. Solches Verhalten ist aber eine typische Charaktereigenschaft von Meutehunden, die Jahrhunderte lang selbständig agieren, d.h. ausschließlich ihrer exzellenten Nase folgen mussten, ohne den Befehl des Jägers abzuwarten. Dieser nicht zu unterschätzende Hang zur Selbständigkeit kann den Halterinnen und Haltern von solchen Hunden in manchen Situationen ein hohes Maß an Geduld und Einfühlungsvermögen abverlangen, erfordert aber ebenso Strenge und Konsequenz. Die Erziehung eines Grand Basset Griffon Vendéen sollte deshalb Disziplin und Beharrlichkeit mit Freundlichkeit und Belohnung ausgewogen verbinden können. Mit einfühlsamer Konsequenz sind die oft unerwartete Phantasie und der originelle Humor dieser intelligenten Hunde in aller Regel in die gewünschte Richtung zu lenken. Bei richtiger Aufzucht ist der Grand Basset Griffon Vendéen kinderlieb und verhält sich anderen Art- und Hausgenossen gegenüber freundlich. Im Haus hält er als Meutehund stets auf angenehm unauffällige Weise den Kontakt zu seinen Menschen, legt jedoch auch als Haushund seine Neugier und seinen Erkundungstrieb nicht ab. Wenn man ihm regelmäßig Bewegung bietet, ist der erwachsene Grand Basset Griffon Vendéen ein selbstbewusster, ausgeglichener und gelassener Hund, der sich auch in Wohnungen problemlos halten lässt. Im Freien und unangeleint entfaltet er dann seinen Unternehmungsgeist, folgt unbeirrbar seiner Nase und kann seine wartenden und bangenden Besitzer so manchmal auf harte Geduldsproben stellen.

Wegen der beschriebenen Gebrauchsqualitäten, seiner natürlichen Robustheit und nonchalanten Erscheinung, ist der Grand Basset Griffon Vendéen in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher und liebenswerter Hund, der nur in geeignete Hände abgegeben werden sollte.

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